Am 03.02.2023 fand im Forum unserer Schule eine Debatte zu der Fragestellung „Wie extrem darf Aktivismus sein?“ in Bezug auf kürzlich geschehene Ereignisse, wie zum Beispiel die Straßenblockaden der sogenannten „Klima-Kleber“, statt.
Dazu geladen wurden verschiedene externe Experten sowie Aktivisten und Aktivistinnen, angefangen von links, Oliver, Aktivist von „Extiction Rebellion“, Charlotte, (leerer Stuhl) Aktivistin von „EndeGelände“, Tabea, Aktivistin von „Leinemasch Bleibt“, die zwei Moderatoren, Christine aus dem zehnten Jahrgang und Leyla Ece aus der E-Phase, Volker, Tierschutzbeauftragter der Organisation Peta, Alison, Aktivistin von „Letzte Generation“, der Prof. Dr. Bernd Meier, von der juristischen Fakultät LUH und Dr. Javier Alfonso Lastra Bravo, Soziologe von der LUH.
Eingeleitet wurde die Gesprächsrunde mit der allgemeinen Frage „Wie weit darf Aktivismus gehen?“
Daraufhin ergriff Oliver das Wort und berichtete, dass er früher auch gegen jede Art von extremen Protest gewesen wäre, mittlerweile aber gemerkt habe, dass man eher durch polarisierende und kontroverse Proteste Menschen wirklich auf ein Thema aufmerksam machen und sie bewegen könne. Im Endeffekt sei sein Beweggrund für die Proteste ja auch, eine gute Zukunft für unsere Gesellschaft zu schaffen. Tabea konnte ihrem Vorredner nur zustimmen und ergänzte noch, dass man heutzutage gewissermaßen gezwungen sei, auf die Straße zu gehen und laut zu sein, da die Regierung in den letzten Jahren nicht viel klimapolitisch gemacht habe und sich dies schleunigst ändern solle. Charlotte griff dies auf und stellte allgemein fest, dass die politische Entscheidungsgewalt bei uns jungen Leuten sehr eingeschränkt sei und daher das Besetzen von Gebieten, das Beschädigen bestimmter Sachen und das Beitreten verschiedenster Organisationen unsere einzigen Möglichkeiten seien, wirklich Einfluss zu nehmen.
Danach fragte Leyla die Experten und Expertinnen, ob die Regierung denn überhaupt viel verändern könnte im Kampf gegen den Klimawandel.
Allgemein waren sich bei dieser Frage die Gäste sehr einig. Es gäbe einige Parteien im Bundestag, welche nicht das Interesse hätten, wirklich etwas zu verändern, was unter anderem auch auf den Einfluss von Lobbyisten und Lobbyistinnen zurückzuführen sei und sich wahrscheinlich nicht viel ändern werde, sondern erst „etwas Schlimmes“ passieren müsse.
So wurde dann auch noch davon gesprochen, dass sich unsere momentane Regierung, so wie auch die vorherige, nicht an die Abmachungen des Pariser Klimaabkommens von 2015 halte und wir statt der Einhaltung des 1,5 Grad Zieles auf eine Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur von 3-4 Grad Celsius zusteuern würden. Die Aktivisten und Aktivistinnen müssten also der „Feueralarm“ sein und der Bundesregierung zeigen, dass das „Haus“ brenne, denn in einer Demokratie sei es in gewisser Weise auch unsere Pflicht, dass wir uns friedlich gegen dieses Verhalten wehren und die Politik auf die momentane Lage und mögliche künftige Konsequenzen aufmerksam machen.
Daraufhin merkte aber Prof. Dr. Bernd Meier an, dass auch scheinbar friedliche Proteste gegen Gesetze verstoßen könnten, so könnte man bei der Besetzungen von beispielsweise Grundstücken oder Fabriken aufgrund von Hausfriedensbruch belangt werden.
Abschließend sagte dann aber noch Charlotte, dass sie trotzdem nicht finde, dass Baumbesetzungen, sondern viel mehr die momentanen politischen Entscheidungen radikal wären, da sie unsere Natur und Umwelt zerstören. Lediglich die Medien und viele Politiker und Politikerinnen, welche eher rechts oder konservativ seien, würden die Proteste in ein schlechtes Licht rücken.
Christin fragte Volker, warum das Thema Tierschutz denn heutzutage auch so wichtig sei, vor allem in Bezug auf Nachhaltigkeit.
Volker erklärte daraufhin erstmal den Unterschied zwischen Tierschutz und Tierrechten. Tierrechte greifen schon vor dem Schutz ein und wollen beispielsweise Ausbeutung von Nutztieren allgemein verbieten. Dann beantwortete er die Frage, indem er verdeutlichte, wie sehr die Massentierhaltung und der damit einhergehende Landschafts- und Ressourcenverbrauch den menschengemachten Klimawandel vorantreiben. Alison ergänzte weiter, dass auch der Schutz der Tiere und des Klimas allgemein auf unsere Bevölkerung und demnach auf das Individuum übertragen werden. Das sehe man durch Erfindungen wie den „Ökologischen Fußabdruck“, welcher selbst von einem großem Konzern eingeführt worden sei, da diese sich jeder Verantwortungen entziehen wollen und das auch mit Erfolg.
Klimaaktivistin Charlotte ergänzte dann noch, dass die Wirtschaft nicht über dem Menschen stehen dürfe, und kritisierte im Zuge dessen unser ganzes System und den Kapitalismus. Volker erklärte dann im Anschluss noch der Unterschied zu Tierschutz, welcher die Tieren aus bereits vorhandenen prekären Umständen befreien möchte, wenn die Tierrechte dies zuvor nicht verhindern konnten.
Im Anschluss fragte Leyla dann noch die Gäste, ob die extremeren Proteste denn auch ihr Ziel erreichen und gut bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommen würden, um ihr Engagement für den Klimaschutz und ihre Kritik an der Regierung auch zu verbreiten.
Tabea und Alison berichteten daraufhin, dass, auch wenn es viele kritische Stimmen gäbe (vor allem in den Medien), sie auch trotzdem schon viele positive Erfahrungen mit Passanten und Passantinnen gemacht haben. So wären viele Menschen den „Klima-Klebern“ durchaus positiv gegenüber eingestellt und würden zum Beispiel bei Straßenblockaden zu ihnen gehen und sich für ihren Einsatz bedanken. Auch Dr. Javier Alfonso Lastra Bravo konnte dies bestätigen und sagte, dass in den letzten Jahren das Thema Pandemie sehr viel Raum in den Medien und der öffentlichen Diskussion eingenommen habe, sodass es jetzt wichtig und richtig sei, dass das Thema Klimawandel wieder in den Fokus der Gesellschaft rücke, und dies auch von vielen durchaus begrüßt werde. Weiter sprach er aber auch davon, dass es viele Themen innerhalb der Debatte um Klimawandel und Nachhaltigkeit gebe, welche auch noch stärker beleuchtet und diskutiert werden müssten. So zum Beispiel, welche Auswirkungen unser Konsum in den nördlichen Industriestaaten auf Länder im geographischen Süden habe, gerade auch in Bezug auf ehemalige Kolonialgebiete. Man sollte sich also vermehrt die Fragen stellen, wenn man jetzt Fleisch isst oder sich ein neues Auto kauft, welche Auswirkungen das auf den Rest der Welt habe!?
Schließlich erinnerte Alison noch einmal daran, dass sich in unserer Geschichte schon oft gezeigt habe, dass Protest in gewisser Art und Weise schon extrem sein muss, damit Veränderungen passieren. Wenn man an die Frauenrechtsbewegung oder die Bürgerrechtsbewegung in den USA denkt, fanden diese extremen Proteste am Anfang natürlich auch viele nicht gut, aber ohne diese könnten beispielsweise die Schülerinnen und Lehrerinnen des GBGs vielleicht heute noch nicht wählen oder ohne die Erlaubnis eines Mannes arbeiten gehen.
Am Ende der Debattenrunde war es dann auch Zeit für Fragen aus dem Publikum. Die Zehntklässler*innen haben vor allem kritische Fragen gestellt.
So wurde beispielsweise gefragt wie Alison es finde, wenn durch die Straßenblockaden ihrer Organisation der Verkehr dermaßen blockiert werde, dass wichtige Einsatzfahrzeuge, wie bspw. Krankenwagen, nicht rechtzeitig zu ihrem Einsatzort gelangen könnten, sodass Menschenleben gefährdet werden. Alison antwortete damit, dass bei ihren Straßenblockaden immer in der Mitte eine Lücke geschaffen werden könnte, um genannten Fahrzeugen die Durchfahrt zu ermöglichen. Wenn die Fahrzeuge es nicht rechtzeitig zum Einsatzort schaffen, dann liege es eher daran, dass die anderen Autos im Stau keine Rettungsgasse gebildet hätten.
Weiter wurde dann auch gefragt, ob die verschiedenen Aktivisten und Aktivistinnen den Polizisten und Polizistinnen das Eingreifen bei Protesten übelnehmen, beispielsweise in Lützerath. Einige der Aktivisten und Aktivistinnen äußerten, dass sie eigentlich nichts gegen die Polizisten und Polizistinnen an sich hätten, da diese im Endeffekt auch nur ihre Arbeit machen und Befehle ausführen. Sollten sie aber unnötig handgreiflich werden und Gewalt anwenden, so sei dies nicht mehr legitim. Vor allem Charlotte von „EndeGelände“ kritisierte aber eher das Verhalten von Beamten und Beamtinnen bei Klima-Protesten und meinte, dass sie es denen schon übel nehme, da sie Befehle auch verweigern könnten und wohl zu schnell handgreiflich werden würden.
Abschließend kann man sagen, dass alle Gäste dem Thema des „extremeren Protestes“, solange er friedlich sei, positiv gegenüberstanden, wobei sie die Grenze zwischen friedlichem Protest, der legitim ist, und Extremismus, welcher gegebenenfalls nicht mehr legitim ist, trotz mehrerer Nachfragen, nicht wirklich genau benannt werden konnten.
Die einzigen wirklichen kritischen Fragen kamen von den Moderatorinnen und aus dem Publikum.
Von Mara Korte
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